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Vanmoof bremst sich selbst aus und meldet Insolvenz an

E-Bike Hersteller Vanmoof meldet Konkurs an

Update 27. Juli 2023

Wohlwissend, dass etliche Menschen durch die Insolvenz von Vanmoof gerade ziemlich in der Klemme stecken, reagieren nach Cowboy nun weitere Unternehmen und bieten auf verschiedene Weise Hilfe an.

Schon in der vergangenen Woche rief der deutsche Fahrradhersteller Diamant eine Aktion ins Leben, die sich an diejenigen richtet, die aktuell ein E-Bike bei Vanmoof bestellt und dafür auch schon eine Anzahlung geleistet haben. Wer glaubhaft nachweisen kann, dass sie oder er sich in einer solchen Situation befinden, kann ein beliebiges E-Bike von Diamant ordern und erhält dabei einen Preisnachlass von 300 Euro.

Diamant unterstützt Kunden von Vanmoof mit Preisnachlass

Diamant unterstützt Kunden von Vanmoof mit einem Preisnachlass.

Für den Moment gilt das Angebot ausschließlich in Deutschland und Österreich. Bestellt werden muss über die Webseite von Trek. Anschließend liefert Diamant das E-Bike zu einem beliebigen Diamant-Händler in diesen beiden Ländern. Zunächst ist das Ganze bis zum 21. August 2023 befristet. Angesichts derzeit übervoller Lager bei den Fahrradherstellern scheint eine Verlängerung jedoch durchaus denkbar. Vorausgesetzt, der Zuspruch ist groß genug.

Upway bringt sich als Vanmoof-Experte ins Spiel

Wer bereits ein Vanmoof fährt, sorgt sich wahrscheinlich darum, wohin sie oder er sich im Falle einer anstehenden Reparatur oder eines Austausches des Akkus künftig wenden kann. An diese Klientel richtet sich Upway, ein aus Frankreich stammendes Unternehmen, das gebrauchte E-Bikes wiederaufbereitet. In aller Eile hat das Unternehmen ein spezielles Programm aufgelegt. Ab dem 1. September nimmt Upway E-Bikes von Vanmoof für eine Wartung entgegen. Bereits vorher könnt ihr euch für diesen Service anmelden. In den nächsten Tagen werden auf den Webseiten für Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Belgien und die USA Bereiche eingerichtet, in denen man sein Bike für eine Wartung anmelden kann. Voraussichtlich wird es in jedem Land erst einmal eine auf 500 Stück begrenzte Anzahl von Slots geben.

Upway unterstützt Kunden von Vanmoof mit Option für Service

Toussaint Wattinne, Geschäftsführer bei Upway, auf einem Vanmoof X3.

Nach Aussage von Toussaint Wattinne, einem der Geschäftsführer von Upway, hätten einige seiner Beschäftigten direkt von Vanmoof eine Schulung zu dem E-Bike-System erhalten und könnten deshalb so schnell loslegen. Zum Service gehören die Abholung des Fahrrades bei euch zuhause, die Inspektion, eine mögliche Reparatur sowie der Transport zurück an euch. Das alles kommt im Paket für einmalig 89 Euro. Nicht einberechnet sind dabei die Teile, die im Rahmen einer Reparatur eventuell ersetzt werden müssen. Allerdings schenkt euch Upway die Arbeitskosten, was erfahrungsgemäß gerade bei kleineren Reparaturen den größten Teil der Kosten ausmacht.

Sowohl Diamant als auch Upway betonen, dass Auslöser für die jeweiligen Angebote die unverschuldete Misere der Vanmoof-KundInnen und Vanmoof-Fahrenden sei. Beide wollte in erster Linie mit den Maßnahmen das Fahrradfahren unterstützen. Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass sich mit dem guten Ansinnen ein gewisser zusätzlicher Gewinn erwirtschaften lässt. Bei den Betroffenen dürfte wohl dennoch die Freude überwiegen, dass sich Unbeteiligte für sie einsetzen. Zurecht, wie wir finden.

 

Originalbeitrag vom 25. Juli 2023

Auf der deutschsprachigen Homepage ist die Welt von Vanmoof in Ordnung. Die vor wenigen Wochen präsentierten S5 und A5 werden als revolutionär angepriesen. Sorgen um die Sicherheit und Wartung des eigenen E-Bikes seien unnötig. Es gäbe ja die Peace-of-Mind-Dienste. Und das volle Potenzial des Fahrrades ließe sich mit der Vanmoof-App entdecken. Kein Wort davon, dass die Revolution gerade Pause macht. Beim Service herrschen alles andere als friedliche Zeiten. Und die App könnte sich schon bald verabschieden. Seit genau einer Woche läuft ein Konkursverfahren gegen das niederländische Unternehmen, das sich selbst gern als ein Vorzeigeprojekt der elektrifizierten urbanen Mobilität auf zwei Rädern inszenierte.

Wer darüber etwas auf der Internetseite des Herstellers erfahren möchte, muss sich unter dem Menüpunkt „Kundenservice“ zu den FAQs durcharbeiten. Nach dem Klick auf die Kachel öffnet sich in einem separaten Tab die englischsprachige Domain. Auf der findet sich dann tatsächlich ein Block mit der Überschrift „About VanMoof’s current situation“. In welcher Situation Vanmoof gerade steckt, lässt sich anhand entsprechender Rechtsvorschriften exakt definieren. Wie es grundsätzlich um das Unternehmen steht, ist weitaus verschwommener. Diejenigen, die bei den Holländern ein Modell gekauft haben, dürften in den vergangenen Tagen unerfreuliche Details dazu in ihrem Posteingang entdeckt haben. Für alle anderen fassen wir die wesentlichen Fakten hier zusammen.

1. Was ist der aktuelle Stand?
2. Was war zuvor geschehen?
3. Welche Teile des Unternehmens sind von der Insolvenz betroffen?
4. Wer steuert aktuell die Geschicke bei Vanmoof?
5. Wie steht es um den Service der auf den Straßen befindlichen E-Bikes?
6. Lässt sich die App weiterhin nutzen?
7. Wie geht es mit Vanmoof weiter?

1. Was ist der aktuelle Stand?

Am 17. Juli 2023 eröffnete das Gericht von Amsterdam ein Konkursverfahren gegen Vanmoof.

2. Was war zuvor geschehen?

Wer aufmerksam die niederländische Wirtschaftspresse verfolgt, konnte bereits im Januar 2023 in der Financieele Dagblad lesen, dass Vanmoof händeringend nach frischem Kapital suchte. Eine Summe zwischen zehn und 40 Millionen Euro sei nötig, um das Fortbestehen der Marke über das erste Quartal 2023 hinaus zu sichern. Nach Berichten des US-amerikanischen Nachrichtenportals TechCrunch spendierten die Aktionäre wohl nicht annähernd so viel. Zum Weitermachen für den Moment genügte es jedoch.

Im eigenen Jahresbericht 2022 weist sich Vanmoof sozusagen selbst darauf hin, kein Geld auszugeben, das man nicht auch einnehme. Schon damals bat das Unternehmen seine Lieferanten um einen Aufschub von Zahlung, damit man genügend flüssiges Kapital behalte. Auf fiskalischer Seite zeigte sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Bilanz zwischen Einnahmen und Ausgaben wies laut Financieele Dagblad ein Minus von 78 Millionen Euro aus – sowohl für 2022 als auch für 2021.

Taco Carlier und Ties Carlier, CEO bei Vanmoof

Wohin geht die Reise für Taco Carlier (links) und Ties Carlier mit Vanmoof in nächster Zeit?

Am 29. Juni 2023 beobachtete TechCrunch erstmals, dass Vanmoof den Verkauf seiner E-Bikes auf der Webseite einstellt. Anfangs war die Rede von einer vorübergehenden Pause. Als Begründung für den Schritt nannte der Hersteller das priorisierte Abarbeiten älterer Aufträge. Dass es sich dabei allenfalls um die halbe Wahrheit handelte, zeigte sich am 13. Juli 2023 als Vanmoof am Gericht in Amsterdam einen Antrag auf Gläubigerschutz und Zahlungsaufschub einreicht. Den gewährt das Gericht in einer ersten Reaktion auch. Schon am 17. Juli 2023 revidiert es allerdings seine Entscheidung. Der Zahlungsaufschub wird zurückgenommen und Vanmoof gilt seitdem als insolvent.

3. Welche Teile des Unternehmens sind von der Insolvenz betroffen?

Die Marke Vanmoof erstreckt sich über mehrere Unternehmen, die zur Carlier Group BV gehören. Das Insolvenzverfahren bezieht sich auf folgende drei davon:

  • VanMoof Global Holding BV
  • VanMoof BV
  • VanMoof Global Support BV
Übersicht über die globale Verteilung der bisherigen Brand Stores und zertifizierten Werkstätten von E-Bike Hersteller Vanmoof

Zu besten Zeiten war Vanmoof mit Brand Stores und zertifizierten Werkstätten weltweit präsent.

Als CEO fungieren jeweils entweder Taco oder Ties Carlier. Explizit ausgeschlossen vom Verfahren sind die ausländischen Tochterfirmen Vanmoof Asia, Vanmoof Asia Ltd. Taiwan sowie Vanmoof USA Inc. Zudem agieren die Brand Stores und zertifizierten Werkstätten in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Japan, Österreich, Schweden und den USA als eigenständige Unternehmen. Sie versuchen vermutlich langsam zum Tagesgeschäft überzugehen. Ob, und falls ja in welchem Rahmen das möglich ist, während der Stammsitz in Amsterdam Schach Matt gesetzt ist, bleibt abzuwarten.

Arbeit in einer zertifizierten Werkstatt des E-Bike-Herstellers Vanmoof

Theoretisch können die zertifizierten Werkstätten ihre Geschäfte derzeit weiterführen. Praktisch dürfte das allenfalls stark eingeschränkt möglich sein.

4. Wer lenkt aktuell die Geschicke bei Vanmoof?

Einige Medien berichten, dass wichtige Manager still und leise bereits Vanmoof verlassen hätten. Neben der erst im Vorjahr als Präsidentin für das Managementteam eingestellten Gillian Tans wird dabei sogar Taco Carlier erwähnt, der ältere der Carlier-Brüder. Inwieweit diese Meldungen den Tatsachen entsprechen, können wir leider nicht überprüfen. Fest steht, dass die beiden als Treuhänder bestellten Anwälte Jan Padberg and Robin de Wit, von der Kanzlei Holland Van Gijzen Advocaten en Notarissen LLP, auch als HVG Law bezeichnet, den Ton in nächster Zeit angeben dürften. Auf ihrer Webseite weisen sie geschädigte Privatpersonen darauf hin, dass diese von den Treuhändern gesonderte Informationen erhalten würden, wie sie ihre Ansprüche im Rahmen des Konkursverfahrens geltend machen können. Das passiert aber erst nachdem Vanmoof verkauft oder auf andere Art und Weise abgewickelt wurde. Weitere Details gibt es keine seitens der Treuhänder. Sie raten lediglich dazu, regelmäßig die FAQ auf der englischsprachigen Website der niederländischen Domain von VanMoof zu prüfen und dort nach Neuigkeiten Ausschau zu halten.

5. Wie steht es um den Service der auf den Straßen befindlichen E-Bikes?

In einem Statement vom 13. Juli 2023 versichert Vanmoof, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sich um Angelegenheiten wie Reparaturen oder ausstehende Lieferungen zu kümmern. Gleichzeitig habe man jedoch nicht auf jede Frage bereits die nötigen Antworten. Es braucht aber nicht viel Phantasie, um diejenigen, die ein Vanmoof fahren, auf frustrierende Zeiten einzustimmen. Das liegt in erster Linie an Fertigungspolitik, die der Hersteller jahrelang verfolgt hat.

In einem S3, X4 oder A5 stecken nämlich jede Menge Komponenten, die eigens für Vanmoof produziert werden. Diese Sonderanfertigungen sollten für Exklusivität sorgen, erweisen sich jedoch jetzt als nur als exklusives Ärgernis. Sie lassen sich eben nicht mit Teilen aus dem Standardsortiment von Weltmarktführern wie Shimano, Sram oder KMC ersetzen. Und wenn das Geld ausbleibt, werden die Zulieferer ihre Maschineparks weiterhin stillstehen lassen.

6. Lässt sich die App weiterhin nutzen?

Drängender als ein mögliches Motorversagen oder der nächste Akkutausch fällt der Blick auf die Vanmoof App. Glücklicherweise ist sie nur eine von insgesamt drei Optionen, das E-Bike an- und auszuschalten. Allerdings sind andere zentrale Funktionen wie das Orten des Bikes, die Navigation und das Einstellen der automatischen Schaltung komplett auf sie angewiesen. Laut unserer Informationen laufen die Server von Vanmoof und damit die App noch. Wie lange dieser Zustand anhält, kann aktuell wohl niemand sicher abschätzen.

Vanmoof App für E-Bikes von Vanmoof

Aktuell läuft die App von Vanmoof. Wie lange noch, ist derzeit ungewiß.

Vanmoof-Konkurrent Cowboy hat schnell gehandelt und ein App namens Bikey als Alternative quasi über Nacht entwickelt. Mithilfe von Bikey könnt ihr den digitalen Schlüssel eures Vanmoof-E-Bikes auslesen und für die künftige Verwendung unabhängig vom Betrieb der Vanmoof-Server speichern. Für den Moment ist so das Fahren gesichert, wenn auch in einem eingeschränkten Modus. Mittlerweile ist Bikey zwar sowohl im App Store als auch im Google Play Store zu finden. Allerdings scheint das Ganze noch mit ein paar Fehlern behaftet. Nach so kurzer Zeit verwundert das jedoch nicht wirklich. Zudem bietet sie sich wohl nur als Rettungsanker für das S3 und das S5 an.

Eine vergleichbare Lösung scheint übrigens die Moofer App zu sein. Testen konnten wir leider bisher keine davon.

7. Wie geht es mit Vanmoof weiter?

In den kommenden Wochen werden die Treuhänder alles daransetzen, Interessenten zu finden, die das Geschäft von Vanmoof fortführen wollen und können. Gelingt dies nicht, droht ein Verkauf der Vermögenswerte und die mögliche Zersplitterung des gesamten Unternehmens. Welches Szenario wahrscheinlicher ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorhersagen. Das Online-Portal „Bike Europe“ spekuliert, dass die kurze Zeitspanne vom Gewähren des Gläubigerschutzes bis zum Erklären der Insolvenz eher auf eine baldige Übernahme hinweise. Die einzig wirklich verlässliche Information in diesem Zusammenhang scheint die Ankündigung einer Gläubigerversammlung für den 21. September 2023 durch die Treuhänder.

 

Bilder: Vanmoof B.V.

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