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E-Cargobike Velo Lab Kàro: Seilakt der spacigen Art

E-Cargobike Kàro Short von Velo Lab

Manchen Fahrrädern ist heutzutage kaum noch anzusehen, wie viel Handarbeit in ihnen steckt. Beim Kàro von Velo Lab ist das definitiv anders. Dieses Bike verströmt jede Menge Manufaktur-Flair. Gefertigt wird in kleiner Serie. Relativ bescheidene Mittel gleichen Firmengründer Efstathios Stasinopoulos und seine MitstreiterInnen mit umso mehr Liebe zum Detail aus. Das Ergebnis dessen ist vom Weltraum inspiriert und hält auch sonst die eine oder andere Überraschung parat.

Begonnen hat die Reise des Kàro jedoch auf keiner Raumflugbasis, sondern inmitten der Millionenmetropole Athen. Dort wohnte bis 2017 Efstathios Stasinopoulos. Rund 15 Jahre lang fuhr er aktiv Radrennen. Bis aus dem Leistungssportler ein Familienvater wurde, der sein drittes Kind erwartete. Dann ertappte er sich bei dem Wunsch, seine sportliche Attitüde im Alltag ausleben zu wollen – fand aber kein Fahrrad, das zu seinem Lebensentwurf passte.

Herausforderung Alltag

Kurzerhand begann der Maschinebauer damit, Ideen für ein eigenes Lastenrad zu entwickeln. Das Anforderungsprofil dafür gab die griechische Hauptstadt vor. Sie ist umgeben von Bergen und hat in ihrer Mitte ernstzunehmende Erhebungen wie den Lykabettus. Direkt vor der Haustür wartete auf Efstathios Stasinopoulos jeden Tag ein zehnprozentiger Anstieg. Leichtgängig bergauf lautete daher eine der wesentlichen Maßgaben für sein Vorhaben, am besten gepaart mit einer entsprechenden Geländetauglichkeit.

Drittes Muss war eine gute Manövrierbarkeit. Athen verfügt kaum über eine nennenswerte Fahrradinfrastruktur. Noch immer müssen sich Fahrradfahrende ihren Platz auf der Straße erkämpfen. Das bedeutet zum Beispiel, fahren zu können, wenn Autos zum Anhalten gezwungen sind. Bei dem Unterfangen, ein Lastenrad für diese Bedingungen bestmöglich vorzubereiten, sind also Abmessungen und Gewicht entscheidend.

E-Cargobike Kàro Short und Kàro Long von Velo Lab

Kàro Short (vorn) und Kàro Long von Velo Lab

Chance statt Risiko

Heute treten die Anforderungen von damals deutlich hervor. Der Rahmen des Bikes folgt dem Space Design, das beispielsweise im Automotorsport genutzt wird. Beim Material setzt Velo Lab auf aus Griechenland stammendes Aluminium. Die Konstruktion akzeptiert die Grenzen, die dieser Werkstoff mitbringt. Er ist zwar leicht, aber nicht so widerstandsfähig wie beispielsweise Stahl. Zusätzlich eigenarbeitete Streben und ganz spezielle Winkel der einzelnen Rahmenrohre zueinander lösen dieses Problem. Auf der Waage ergibt das gerade einmal 6,2 Kilogramm – für ein Cargobike ein beachtlicher Wert.

Hinzukommt, dass der Hersteller den Rahmen komplett selbst an seinem jetzigen Stammsitz in Bremen fertigt. Von der Hansestadt aus treibt Efstathios Stasinopoulos das Geschehen von Velo Lab voran. Statt „der“ Rahmen sollte es genauer „die“ Rahmen lauten. Vom Kàro gibt es nämlich zwei Versionen. Das Kàro Short besitzt eine zehn Zentimeter kürzere und zudem schmalere Ladefläche als das Kàro Long. Zudem könnt ihr aus drei Rahmengrößen die für euch passende heraussuchen. Nach Angaben von Velo Lab eignet sich die kleinste Größe für Menschen mit einer Körperlänge von bis zu 160 Zentimetern. Zur XL-Variante sollten diejenigen greifen, die mehr als 190 Zentimeter messen. Allerdings kosten beide jeweils 200 Euro Aufpreis.

Seilzuglenkung am E-Cargobike Kàro von Velo Lab

Mittlerweile bietet Velo Lab ein Vielzahl verschiedener Aufbauten für das Kàro an. Viele der Boxen sind aus Holz gefertigt.

Alles hängt an dünnen Seilen

Egal in welcher Größe, das bereits knapp unterhalb des Lenkers endende Steuerrohr fällt stets auf. Es hat Platz gemacht für … nun ja, für mehr Platz. Ein komplett bis unten zur Rahmenkonstruktion reichendes Steuerrohr begrenzt bekanntlich immer die Ausmaße der Ladefläche nach hinten. Hier fehlt das Rohr. Velo Lab nutzt den entstehenden Freiraum, um die Ladefläche gekonnt in Richtung des Inneren des Bikes zu erweitern. Bei Varianten des Kàro mit elektrischer Unterstützung ist dies eine der Stellen, an denen sich ein Akku unterbringen lässt.

Wenn das Steuerrohr quasi abgeschnitten ist, wie funktioniert dann aber die Lenkung? Die Antwort lautet: Sehr elegant. Am Kàro begegnen wir mal wieder einer Kabelzuglenkung. Für ein Lastenfahrrad ist das an sich nichts Ungewöhnliches. Meist verlaufen die Kabel jedoch unter der Ladefläche entlang und sind nicht großartig vor Witterung und Schmutz geschützt. Velo Lab führt die Kabel jedoch größtenteils durch die obere Reling der Ladefläche. Sowohl vorn auf dem kleinen Steuerohr vor der Ladefläche als auch unterhalb des Lenkers nehmen zwei Kabeltrommeln die Lenkseile auf. Als Resultat erhaltet ihr einen quasi unbegrenzten Lenkeinschlag und damit einen äußerst geringen Wendekreis. Zwar haben wir das Bike selbst noch nicht fahren können. Aus der Erfahrung heraus erwarten wir aber ein angenehm direktes Lenkgefühl.

Frontansicht des E-Cargobikes Kàro von Velo Lab

Auf dem Steuerrohr der Gabel ist die Kabeltrommel der Seilzuglenkung gut erkennbar. Die Gabel aus Edelstahl fertigt Velo Lab übrigens auch komplett in Eigenregie.

Antrieb aus Deutschland

In Sachen E-Antrieb versucht Velo Lab seinem ökologischen Grundgedanken so treu wie möglich zu bleiben. Zum Aluminium aus Griechenland, dem nachhaltig angebautem Bio-Holz, aus dem verschiedene Aufbauten für das Lastenfahrrad hergestellt werden, und der Fahrradproduktion in Bremen, gesellt sich mit Neodrives ein Ausrüster, der ebenfalls fast komplett in Deutschland fertigen lässt. Dessen Z20-Motor findet in der Hinterradnabe Platz. Er unterstützt euch wie gewöhnlich bis zu einer Geschwindigkeit von maximal 25 km/h. Das geht ziemlich flott, da die 40 Newtonmeter an Drehmoment direkt auf die Hinterradachse wirken und für einen sehr effizienten Vortrieb sorgen.

Bei der Zusammenstellung eures Wunschbikes bieten sich über Neodrives Akkus in verschiedenen Größen an. Erhältlich sind etwa Rahmenakkus, die auf dem hinteren Teil der Ladefläche befestigt werden. Alternativ dazu könnt ihr semi-integrierte Exemplare wählen, die längs in den Boden der Ladefläche eingelassen werden. Das verfügbare Spektrum an Kapazität erstreckt sich von 500 bis 630 Wattstunden.

Akku für das E-Cargobike Kàro von Velo Lab

So fügt sich der semi-integrierte Akku in der Bodenplatte der Ladefläche ein.

Mit Blick auf die nicht-elektrische Komponente des Antriebs eröffnet sich euch ein noch größerer Spielraum. Bei der Konstruktion des Rahmens samt der Ausfallenden hat Velo Lab für so gut wie alles mitgedacht. Folglich ist vom Pinion-Getriebe, über Rohloff-Nabenschaltung bis hin zu einer x-beliebigen 12-fach-Kettenschaltung als denkbar, was die Welt der Schaltungen und Getriebe hergibt.

Qual der Wahl

Derart variabel daherkommend, könnt ihr mit dem Kàro so ziemlich alles anstellen, was mit einem Longjohn-Lastenrad so möglich ist. Das maximal zulässige Gesamtgewicht von 180 Kilogramm setzt der Zuladung erst spät eine Grenze. Für das Bike selbst schlagen nur wenige Kilos zu Buche. Für ein Kàro Long mit einer Standardcargobox aus Holz und Kindersitzen sind es lediglich 28. Grundsätzlich stehen etliche weitere Boxen zur Auswahl, mit und ohne Option für Kindersitze, ein riesiges Wetterverdeck, diverse ebenfalls von Velo Lab exakt auf Maß geschneiderte Taschen und Einsätze sowie vieles mehr. Zur Grundausstattung gehört eine plane Ladefläche, die seitlich von Bändern begrenzt wird. Je nach Bedürfnis werdet ihr aber vermutlich schnell über irgendeine Form von Upgrade diesbezüglich nachdenken.

Regenverdeck für das E-Cargobike Kàro von Velo Lab

Zum Zubehör gehört unter anderem ein Regenverdeck.

Preislich würde die Reise für euch bei knapp über 5.200 für das Kàro Short mit dem Antrieb von Neodrives starten. Im Falle des Kàro Long kommen da dann nur rund 100 Euro drauf.

Lastenfahrrad Kàro Gravel von Velo Lab

Vielleicht demnächst auch mit E-Antrieb zu haben: das Kàro Gravel von Velo Lab?

Gabs da nicht schon einmal etwas in der Art?

Einigen von euch kommt das Kàro vielleicht bekannt vor. Damit liegt ihr absolut richtig. Zur Geschichte von Efstathios Stasinopoulos gehört auch eine Partnerschaft mit Cargo Bike Monkeys. Die endete vor ein paar Jahren. Deshalb stoßt ihr bei dem Hersteller aus Münster auf ein nahezu identisches Bike. Das eRadlader entspricht mehr oder weniger der motorisierten Version des Kàro Long.

 

Bilder: Velo Lab GmbH; Alber GmbH

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