Manche E-Autos, die heute auf den Straßen rollen, sehen aus wie eine wahr gewordene Utopie aus Science-Fiction-Filmen der 1980er oder 1990er Jahre. Mit einem solch futuristischen Design können unter den Fahrrädern im Grunde nur vollverkleidete Liegeräder mithalten. Modelle wie das Frikar von Podbike zeigen, dass selbst diese als E-Bike umsetzbar sind. Es geht allerdings auch noch windschnittiger.
Eine Zigarre? Ein Hai? Ein E-Bike.
An einem solchen Bike arbeitet aktuell ein Hersteller aus Tschechien. Es heißt Katanga VM45. Das klingt bereits schnell, oder? 😉 Von dem elektrischen Liegefahrrad mit vier Rädern soll sogar eine Variante als S-Pedelec auf den Markt kommen. Firmen-Chef Stephane Boving beschreibt das Fahrzeug als ein Hybrid aus Fahrrad und kleinem Auto. Etwas despektierlich könnte man seine Form als Zigarre mit einer Haifischflosse beschreiben. Das aus Aramid, Kohlefaser und Epoxid gefertigte Monocoque fällt etwas breiter aus als ein einspuriges vollverkleidetes Liegerad. Mit 94 Zentimetern bewegt sich das aber noch ganz locker in dem Bereich, der beim Fahren auf Fahrradwegen erlaubt ist.
Öffnet sich die große Schwingtür, wird der Blick freigegeben auf einen Sitz. Das in der Tür eingearbeitete Dachfenster lässt sich abnehmen, sodass ihr bei dem entsprechenden Wetter aus dem VM45 fast ein kleines Cabrio machen könnt. Auf Bildern wird erkennbar, dass die Tür sehr weit aufschwingt. Zusammen mit dem niedrigen Einstieg dürfte so das Ein- und Aussteigen ein Leichtes sein.
Geräumiger Einsitzer
Im Innenraum geht es erwartungsgemäß spartanisch zu. Den meisten Komfort verspricht der schalenförmige, ergonomische Sitz mit seiner durchgängigen Rückenlehne. Ansonsten schaut ihr auf zumindest derzeit nur rudimentär verkleidete Kunststoffe. Gut möglich, dass dies in der finalen Version des E-Bikes anders aussehen wird. Zu beiden Seiten des Sitzes ragen von unten kommend zwei Griffe hervor. Mit deren Hilfe lenkt ihr das Katanga VM45. Am linken Griff ist zusätzlich die Halterung für ein Display montiert, von dem sich die entsprechenden Fahrdaten ablesen lassen.
Nach vorn scheint reichlich Platz zu sein, sodass auch Menschen mit langen Beinen hier hineinpassen sollten. Angaben zu einer minimalen und maximalen Körperlänge nennt der Hersteller bislang auf seiner Webseite jedoch nicht. Weiterer nutzbarer Raum zeigt sich hinter den Fahrenden. Kleineres Gepäck findet vermutlich neben und direkt hinter dem Sitz Platz. Alles Größere kann in den 350 Liter fassenden Kofferraum. Der ist vom Ende des Fahrzeuges über eine eigene Tür erreichbar. Bei einem Eigengewicht von 79 Kilogramm inklusive Akku bleiben allerdings nicht mehr zu viele Optionen für das Gepäck. Das maximal zulässige Gesamtgewicht beträgt 200 Kilogramm. Angenommen, ihr selbst bringt 100 Kilogramm an Köpergewicht in die Rechnung mit ein an, dürft ihr noch rund 20 Kilogramm zuladen. Für etwas Arbeitsausrüstung oder einen Einkauf genügt dies sicher. Hinter den Dimensionen eines Kleinwagens bleibt das VM45 damit allerdings deutlich zurück.
Eindrucksvolle Reichweite
Als Antrieb hat sich Katanga für den französischen Hersteller Valeo Effigear entschieden. In der Version für das S-Pedelec leistet der Mittelmotor namens Cyclee 750 Watt im Dauerbetrieb. In der Spitze steigt dieser Wert kurzzeitig auf 1.500 Watt. Dank des Drehmoments von 130 Newtonmeter sollte sich der VM45 ziemlich spritzig fahren. Wer sorgsam mit dieser Power umgeht, kann anscheinend sehr weit kommen. In ersten Tests erreichte das E-Bike mit dem 1,24 Kilowattstunden großen Akku im Eco-Modus Reichweiten von bis zu 255 Kilometer. An der Stelle spielt das vollverkleidete Liegerad seine hervorragende Aerodynamik und den geringen Rollwiderstand aus.
Ähnlich wie bei der MGU von Pinion kombiniert auch der Cyclee Motor und Getriebe in einem gemeinsamen Gehäuse. Die sieben Gänge sowie der Rückwärtsgang lassen sich wahlweise manuell oder automatisch schalten. Laut Katanga gibt es noch letzte Verbesserungen am Antrieb umzusetzen. Probleme bereitet wohl zum Beispiel die Rekuperation. Außerdem sieht sich Valeo sporadischen Fehlfunktionen gegenüber und möchte zugesagte Zusatzfunktionen final implementieren.
Komfortables Fahrwerk
Wenn später alles einwandfrei läuft, erwartet die Fahrenden vermutlich ein besonderes Fahrerlebnis. Der Antrieb schürt große Hoffnungen. Die Fortbewegung in einem so sportlichen Fahrzeug in beinahe liegender Position ist für die meisten allein bestimmt schon eine spezielle Erfahrung. Und damit die dauerhaft zu einer sehr angenehmen werden kann, hat Katanga ein vollgefedertes Fahrwerk entwickelt. An der Vorderachse gibt es einen Federweg von 45 Millimetern. Hinten sind es 60 Millimeter. So vermeidet der Hersteller, dass euch jede Unebenheit schmerzhaft ins Rückgrat fährt. Um gröberes Kopfsteinpflaster solltet ihr lieber trotzdem einen Bogen machen. Aber für das, was euch auf befestigten Radwegen und kleineren Straßen erwartet, sollte das Federsystem durchaus genügen. Und richtig guter Asphalt – der wird sich traumhaft fahren.
Damit die 20 Zoll großen Laufräder im richtigen Moment zum Stehen kommen, sind vorn 90 Millimeter große Trommelbremsen und hinten 160 Millimeter große Scheibenbremsen verbaut. Letztgenannte fungieren zudem als Feststellbremsen. Dazu gibt es das komplette Sicherheitspaket mit Hupe, zwei Rückspiegeln, einer kompletten Lichtanlage, Bremslicht und einem Licht für den Rückwärtsgang.
Interessenten brauchen Geduld
Nachdem Katanga im Januar 2021 mit der Entwicklung dieses E-Bikes begonnen hatte, stand im Mai 2023 erstmals ein komplettes Modell auf seinen vier Rädern. Derzeit ist dies hauptsächlich zu Testzwecken im Einsatz. Vor allem Dauerbelastungstests stehen im Moment auf dem Programm. Gleichzeitig sucht der Hersteller nach Wegen, die Geräusche des Motors zu minimieren. Daran ist natürlich auch Valeo Effigear beteiligt. Bis Ende des Jahres möchte man einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht haben.
An den Antrieb und Räder gelangt man ausschließlich über das Abschrauben der Verkleidung am Unterboden.
In frühestens einem Jahr rechnet Katanga damit, die Zulassung von der Europäischen Union für das S-Pedelec zu erhalten. Schneller könnte es bei der Variante mit dem 250-Watt-Motor und der auf 25 Kilometer pro Stunde begrenzten elektrischen Unterstützung gehen. Solch ein Modell könnte dann rund 13.000 Euro kosten – zuzüglich Mehrwertsteuer. Wer möchte, kann anscheinend auch ein VM45 ohne E-Antrieb kaufen. Nach jetzigem Stand könnte dies rund 11.000 Euro kosten. Angesichts der noch ausstehenden Zulassung lässt sich übermögliche Liefertermine aktuell nichts sagen. Selbst der Name steht wohl noch nicht endgültig fest. Also von uns aus kann es gern beim VM45 bleiben. Klingt irgendwie passend und lässt sich gut merken. Oder was meint ihr?
Katanga VM45 im Überblick
- Chassis: Aramid, Kohlefaser und Epoxid
- Motor: Valeo Cyclee
- Akku: 1.240 Wh
- Display: Valeo Cyclee
- Bremsen: Trommelbremsen, 90 mm; hydraulische Scheibenbremsen, 160 mm
- Gewicht inklusive Akku: 79 kg
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 200 kg
- Preis für E-Bike ohne Mehrwertsteuer: rund 13.000 Euro
Bilder: Katanga s.r.o.