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Decathlon und E2 Drives präsentieren gemeinsamen E-Bike-Antrieb

E-Bike-Antrieb Owuru von E2 Drives und Decathlon

Belgien ist Fahrradland. Viele Menschen begeistern sich dort nicht nur für zahlreiche Formen des Radsports, sondern treten auch im Alltag in die Pedale. Es gibt wesentlich freizügigere Regelungen beim Fahren mit dem S-Pedelec. In regelmäßigen Abständen machen Firmen mit kleineren oder größeren technischen Innovationen auf sich aufmerksam, wie Classified, deren Zwei-Gang-Hinterradnabe innerhalb kürzester Zeit in den Rennrädern der Tour de France angekommen ist.

Angesichts dessen verwundert es wenig, wenn ein neuer E-Bike-Antrieb, der die Branche durcheinanderwirbeln möchte, in Belgien ersonnen wurde. Gewöhnlich würde spätestens an dieser Stelle mal der Name des Antriebs fallen. Aber das ist diesmal gar nicht so einfach. Die Firma, die ihn entwickelt hat, die können wir nennen. Sie heißt E2 Drives und hat ihren Sitz in Wavre, einer kleinen Stadt im Südosten Brüssels. Auf ihrer Internetseite spricht die Firma stets von „dem Antriebssystem“, „dem Motor“ oder „dem E-Bike-Antrieb“, nennt aber nie einen Namen. E2 Drives ist ein Tochterunternehmen von Decathlon S.A., dem bekanntlich in Frankreich beheimateten Sportartikelhersteller. Der hat inzwischen auch ein E-Bike mit diesem Antrieb vorgestellt. Und dort hat das Aggregat auch einen Namen erhalten – Owuru. Ob auch andere E-Bike-Hersteller das System von E2 Drives unter entsprechenden Lizenzen beziehen dürfen, wissen wir aktuell nicht.

Jahrzehnt mit Auf und Abs

Aber bleiben wir noch einen Moment bei E2 Drives. An dem Beispiel wird deutlich, dass sich Ausdauer und Beharrlichkeit mitunter doch auszahlen. Denn die Geschichte von Owuru beginnt bereits 2012. In dem Jahr meldet Arthur Deleval, Gründer von E2 Drives, erste Patente an. Ein Unternehmen scheint zu der Zeit noch in weiter Ferne. Aber sicher ist sicher. Im nächsten Jahr stößt Simon Godfrind zu dem Projekt hinzu und wird zweiter Gründer. Beiden schwebt vor, einen funktionstüchtigen E-Bike-Antrieb zu entwickeln, der Motor und Schaltung in einem Gehäuse vereint. Dieses Konzept wollen sie gewinnbringend einen interessierten Hersteller lizensieren lassen, der dann E-Bikes mit diesem System fertigt. Tatsächlich geht 2015 ein Unternehmen auf diesen Vorschlag an. Allerdings endet die Partnerschaft ergebnislos und man geht 2017 wieder getrennte Wege.

Entwicklung des E-Bike-Antriebs Owuru bei E2 Drives

Mehr als zehn Jahre Entwicklungsarbeit stecken in der Antriebseinheit.

Davon lassen sich Deleval und Godfrind jedoch nicht entmutigen. Ganz im Gegenteil. Nun arbeiten sie an Plänen für ein eigenes E-Bike, das Zest heißen und auf dem eigenen Antrieb basieren soll. Erste Meldungen darüber gehen im Frühjahr 2020 durch ein paar Fachmedien. Gleichzeitig kommen die beiden Entwickler mit Decathlon ins Gespräch. Noch im selben Jahr wird E2 Drives ein Teil des Konzerns aus dem Nachbarland.

Nächste Einheit aus Motor und Getriebe

Drei Jahre später können Deleval, Godfrind und ihr auf insgesamt 20 Beschäftigte angewachsenes Team ein Antriebssystem vorstellen, das absolut im Trend der Zeit zu liegen scheint. Erst recht, nachdem Pinions MGU auf der Eurobike für reichlich Schlagzeilen gesorgt hat – ein ganz ähnliches System. Beiden gemein ist die Kombination aus einem E-Bike-Motor mit einer stufenlosen, automatischen Gangschaltung, die zudem als Einheit am Tretlager eines Pedelecs integriert werden können. Beide stimmen Trittfrequenz und Motorleistung aufeinander ab. Im Falle des Owuru wählt ihr eine bestimmte Trittfrequenz aus, die dann als Zielgröße beim Fahren konstant gehalten wird.

Während die MGU von Pinion aus einem Getriebe und einem Motor besteht, umfasst Owuru zwei Motoren sowie ein Planetengetriebe. Für das möglichst harmonische Zusammenspiel von Motorachse und Antriebsachse sorgen zwei Synchronriemen. Im Ergebnis schaltet das System automatisch und stufenlos. Laut Decathlon steht in jeder Übersetzung ein beliebiges Unterstützungsniveau zur Verfügung, das maximal 375 Prozent beträgt.

E-Bike-Antrieb Owuru von E2 Drives in der Explosionsdarstellung

In der Explosionsdarstellung sind die beiden Motoren sowie die Riemen deutlich erkennbar.

Nicht ganz auf dem Niveau von Pinion

Von der Übersetzung her bleibt Owuru hinter der MGU um einiges zurück. Seine Bandbreite endet bei 265 Prozent. Eine MGU mit einem 9-Gang-Getriebe kommt auf 568 Prozent, im Falle eines 12-Gang-Gebtriebes sind es sogar 600 Prozent. In Bezug auf das Drehmoment liegen beide Systeme schon enger beieinander. Decathlon nennt 65 Newtonmeter als Wert für sein erstes E-Bike mit dem Owuru. Nach Angaben von E2 Drives kann der Wert bis auf 120 Newtonmeter in der Spitze erhöht werden. Pinion bestimmt das Drehmoment anders als der Wettbewerb. Allerdings sagt der Hersteller, dass sein Wert den 85 Newtonmetern andere Hersteller entsprechen würde.

Wie auch die MGU basiert Owuru auf einer Arbeitsspannung von 48 Volt und generiert dabei die üblichen 250 Watt, die bei Bedarf für eine kurze Zeitspanne bis auf 600 Watt ansteigen kann. Übertragen wird die Leistung von der Antriebsachse auf das Hinterrad mithilfe einer klassischen Kette. Die läuft vorn am Kettenblatt zusätzlich über insgesamt drei Schaltröllchen, von denen zwei in einem herkömmlichen Schaltkäfig stecken und für die dauerhafte Kettenspannung sorgen. Wie geschmeidig, leise und verschleißarm dies im Vergleich zu Pinions Lösung läuft, lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen. Zumindest wirkt die MGU mit ihrem Carbonriemen und der nur einen Umlenkrolle aufgeräumter als das Konzept von E2 Drives.

Ansicht des E-Bike-Antriebs Owuru von E2 Drives und Decathlon im Bereich des Kettenblattes

Kette statt Riemen heißt es am Owuru von Decathlon im Vergleich zur MGU von Pinion.

Bei den Fahrmodi könnt ihr zwischen Eco, Standard und Boost wählen. Zusätzlich gibt es einen Walk-Modus, der euch das Schieben des Rads erleichtert.

Technische Spezifikationen des Owuru von E2 Drives

  • Leistung: 250 W, 600 W maximal
  • Drehmoment: 65 Nm, 120 Nm maximal
  • Unterstützung: 375 Prozent maximal
  • Bandbreite: 265 Prozent
  • Prozessorgeschwindigkeit des Motors: 20 kHz
  • Spannung: 48 V
  • Gewicht: 4,6 kg

Vielseitiger als vielleicht gedacht

Während Idee und Konstruktion also in Belgien entstanden sind, erfolgt die eigentliche Fertigung in Frankreich. Das liegt natürlich in erster Linie daran, dass Decathlon dort auch seine E-Bikes mit dem Owuru baut. Mit dem B’TWIN LD 920 E automatic ist das erste ein Allrounder geworden. Seine Komplettausstattung mit Schutzblechen, Gepäckträger, Lichtanlage und Seitenständer in Kombination mit der auf eine aufrechte Sitzposition ausgelegten Geometrie machen es zu einem typischen City-E-Bike. Wer aber die Reifen gegen ein etwas geländetauglicheres Modell austauscht und die Headshock-Federgabel voll ausnutzt, hat gleichzeitig ein akzeptables Trekking- und Reiserad. Der Motor wird im Stadtverkehr kaum vollumfänglich genutzt werden. Mit einer einstellbaren Trittfrequenz zwischen 40 und 90 Umdrehungen pro Minute lässt er sich auch sehr sportlich fahren, wenn das gewollt ist. Und der Gepäckträger ist für Lasten von bis 27 Kilogramm zugelassen, was einige Optionen für Fahrradtaschen und anderes Zubehör eröffnet.

E-Bike B’TWIN LD 920 E automatic von Decathlon mit Owuru-Antriebssystem

B’TWIN LD 920 E automatic von Decathlon mit Owuru-Antriebssystem

Gute Komponenten und attraktiver Preis

Zur Bedienung setzt Decathlon auf ein im Vorbau integriertes Farbdisplay mit Touchscreen. Leider liegen davon noch keine Bilder vor. Erkennen sollt ihr auf dem jederzeit die Uhrzeit, den Akkustand sowie eure gewählte Unterstützungsstufe. In weiteren Ansichten werden euch die Trittfrequenz, die verbleibende Reichweite, die zurückgelegte Distanz und die aktuelle Fahrgeschwindigkeit gezeigt. Als äußerst praktisch dürfte sich ein integrierter USB C-Ladeanschluss erweisen, an den ihr externe Geräte anschließen und während der Fahrt mit Strom versorgen könnt.

Grundsätzlich erweist sich das B’TWIN LD 920 E automatic als typisches Fahrrad von Decathlon. Viele Teile wurden selbst entwickelt und damit kostengünstig produziert. Dazu zählt beispielsweise der im Unterrohr integrierter Akku. Dessen Kapazität von 702 Wattstunden soll Reichweiten zwischen 80 Kilometern und 150 Kilometern ermöglichen.

Von dem Aluminiumrahmen erscheinen zwei Varianten – eine mit einem nur leicht abfallendem Oberrohr und eine mit einem stärker abfallenden Oberrohr, genannt „high frame” und „low frame“. Erstere bietet Decathlon in den Größen M, L und XL an. Von der zweiten wird es die Größen S, M und L geben. Bezüglich der Farben könnt ihr zwischen einem matten, dunkleren Grün und einem ebenfalls matten Braunton namens „Marron“ auswählen. Der Preis von gerade einmal 2.999 Euro ist durchaus beachtlich. Zumal dabei zusätzlich ein fest eingebauter GPS-Tracker inbegriffen ist.

 

Bilder: E2 Drives, Decathlon Deutschland SE & Co. KG

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