Zum Inhalt springen

Lastenrad Cluuv E-Cargo: Erst ein Bild gemacht, dann ein Bike

E-Lastenfahrrad Cluuv E-Cargo 2022

Welche cleveren Lösungen kennzeichnen ein heutiges E-Cargobike? Wer das wissen möchte, nimmt sich in Ruhe die Webseiten der zahlreichen Hersteller vor, plant vorsorglich den Besuch einer der bald wieder öffnenden Fahrradmessen oder blättert den zurückliegenden Jahrgang einer passenden Fahrradzeitschrift durch. Oder ihr seht euch einfach das E-Cargo von Cluuv an. An dem erstmals auf der Eurobike 2021 in Friedrichshafen gezeigten Lastenfahrrad begegnen euch nämlich Details, mit denen andere Hersteller bereits punkten konnten.

Treibende Kraft hinter Cluuv ist Susanne Eidman. In Personalunion führt sie die Geschäfte, dirigiert die Entwicklung, ist Ansprechpartnerin für die Presse und ganz allgemein augenscheinlich eine gute Beobachterin. Nach eigener Aussage begann sie 2018 mit der Arbeit in dem Projekt, ein eigenes Cargobike auf die Beine respektive Räder zu stellen. Seitdem hat die ehemalige Fahrradkurierin und Studentin der Sportwissenschaften recht genau hingeschaut, welche Einfälle anderer Hersteller besonders gut bei den Leuten ankommen. Oder vielleicht auch nur bei Susanne Eidmann selbst. Das wissen wir natürlich nicht.

Susanne Eidmann Gründerin von Cluuv

Susanne Eidmann hat Cluuv offiziell 2020 gegründet.

Im Rahmen des Erlaubten

Was ist der gebürtigen Norddeutschen denn so aufgefallen? Zum Beispiel eher aufgehängte als komplett fest installierte Kindersitze am Bogbi. Der Mechanismus, mit dem sich ein Bike von Libelle zweiteilen lässt. Die Art und Weise, wie Citkar am Loadster seine Akkus verstaut. Der leichtgängige Zweibeinständer des Ca Go FS 200. Sowie die unterschiedlichen Schienen- und Stecksysteme, mit denen etliche Hersteller die Ladeflächen ihrer Cargobikes versehen. All dies findet sich als Ansatz oder sogar konkreter am E-Cargo von Cluuv wieder.

Und bevor jetzt einige erregt von einem Plagiat reden, nur so viel: Innerhalb der Fahrradbranche ist es genauso üblich zu schauen, was der übrige Wettbewerb so treibt, wie in jeder anderen Branche auch. Zudem ist dem Cluuv neben den Anleihen genauso wenig seine eigene Note abzusprechen. Von außen betrachtet wirkt das eher wie ein gut überlegter Schachzug von Susanne Eidmann. Ein cleverer Move. Den sie sich ganz zufällig als Firmennamen gleich hat patentieren lassen. Cluuv steht nämlich für „clever move“.

Namhafte Unterstützung

So, genug der Vorrede, auf zur Bestandsaufnahme. Bei der Art des Lastenrades hat sich Cluuv für ein Longjohn entschieden, also ein einspuriges Cargobike mit einem kleinen vorderen Laufrad und einem größeren hinteren, bei dem der Platz zwischen Vorderrad und Steuerohr als Ladefläche dient. Folglich haben die Fahrenden das Transportgut jederzeit vor sich im Blick.

Für den Rahmen hat das Start-Up in Nicolai Bicycles einen sehr renommierten Partner gefunden, der die Aluminiumrahmen fertigt. Cluuv kann so hinter Anforderungen wie der gewissenhaften Auswahl der Rohmaterialien, einer Produktion vor Ort sowie einer konstant hohen Produktqualität getrost einen Haken machen. Ein Clou des Rahmens ist die Tatsache, dass er sich in der Mitte teilen lässt. Schrauben sichern die Verbindung und nicht etwa Schnellspanner. Daran wird erkennbar, dass dieses Auseinandernehmen eher den Transport erleichtern soll und keinesfalls als Alltagsanwendung gedacht ist.

E-Lastenfahrrad Cluuv E-Cargo

Nie die Basics vergessen

Lenken lässt sich das Cluuv E-Cargo über ein Gestänge. Dessen Übersetzung entspricht dem einer direkten Lenkung. Im Ergebnis sollte das Lenken dem mit einem gewöhnlichen E-Bike recht nahekommen. Für die nötige Sicherheit sorgen die verbauten doppelten Endanschläge sowohl am Steuersatz als auch im Lenkgestänge. Sie sollen ein Umschlagen der Lenkung verhindern. Gleichzeitig könnt ihr den Lenker vernünftig einschlagen, gut manövrieren und braucht einen relativ kleinen Wendekreis. Relativ immer im Verhältnis zur Gesamtlänge des Bikes von immerhin rund 2,7 Metern.

Neben dem Lenken und Wenden zählt das Abstellen zu den Punkten, an denen erkennbar wird, wie weit ein Hersteller bei seinem Lastenfahrrad mitdenkt. In diesem Falle scheint sehr viel Energie in die Arbeit geflossen zu sein, einen Ständer zu entwerfen, der sich leichtgängig bedienen lässt und gleichzeitig verlässlich seinen Dienst verrichtet. Von einer Fußraste aus führt ein langer Hebel unterhalb der Ladefläche nach vorn. Durch das Herunterdrücken der Raste klappen an den vorderen Enden der Ladefläche links und rechts jeweils ein Standbein nach unten und stellen das E-Cargo sicher auf. Gemeinsam erleichtern eine Gasdruckfeder und der längere Hebel den Vorgang. Vermutlich ist dies selbst mit geringerer Anstrengung erfolgreich zu meistern. In dieser Position könnt ihr den Ständer zudem sperren. Er lässt sich erst wieder einklappen, wenn ein kleines Schloss entsichert wird. Aus unserer Sicht eine einfallsreiche Alternative zum Rahmenschloss, die verhindert, dass Diebe das Bike einfach wegrollen.

Was darf es denn sein?

Analog zu anderen Herstellern setzt auch Cluuv auf einen modularen Aufbau seines Cargobikes. Grundlage dafür ist das E-Cargo in seiner schlichtesten Version, sprich mit einer nackten Ladefläche. In die Bodenplatte der Fläche eingearbeitet sind mehrere Airline-Schienen. In diesen könnt ihr Gurte, Hacken und anderes Zubehör montieren, um eure Ladung zu sichern. Diese „Flatbed“ genannte Variante des Cluuv E-Cargo ist außerdem der ideale Ausgangspunkt für diejenigen, die an einen individuellen Aufbau denken. Die Fläche, mit der ihr arbeiten könnt, misst 70 Zentimeter in der Länge und 50 Zentimeter in der Breite. Sie ist für eine maximale Zuladung von 70 Kilogramm zugelassen.

Wen es nicht unbedingt nach einer ebenen Fläche verlangt, der könnte zur Variante „Box“ greifen. Wie es der Name suggeriert, ist auf der Ladefläche eine Art flacher Wanne mit rund 25 Zentimeter hohen Seitenwänden angebracht. Das bietet Gegenständen einen gewissen Seitenhalt. In Beuteln verstaute Einkäufe oder lose Dinge dürften dort gut hineinpassen.

E-Lastenfahrrad Cluuv E-Cargo in der Variante "Box"

Cluuv E-Cargo in der Variante „Box“

Für das Mitnehmen von Kindern benötigt ihr den Aufbau „Kids Cabin“. Dessen unteres Teil ist die Box. Sie erhält zusätzlich niedrig gehaltene Wände für den Frontbereich und das Heck der Ladefläche. Aus beiden Konstruktionen ragen Bügel heraus, über die sich ein optionales Regenverdeck spannen lässt.

Für Kinder gedacht

Davon abgesehen ist die Kabine erst einmal leer. Ihr könnt sie mit maximal drei ergonomisch geformten Kindersitzen füllen. Zwei der kleinen Passagiere würden dann in Fahrtrichtung im Heck sitzen und eines entgegen der Fahrtrichtung in der Front. Die aus Textil gefertigten Sitze hängen an einem robusten Sitzgestell. Von dem Geruckel über grobes Kopfsteinpflaster oder den Erschütterungen durch Absätze bekommt der Nachwuchs demnach deutlich weniger mit. Auf den vorliegenden Bildern fällt auf, wie hochgezogen die Lehnen der Sitze ausgeformt sind, was für eine angenehme Sitzposition sorgen sollte.

Bezogen auf die Anzahl der Sitze könnt ihr frei entscheiden. Die Variante mit dreien haben wir beschrieben. Zwei passen im Heck nebeneinander. Oder ihr lasst die Kinder sich gegenübersitzen und installiert einen vorn. Lediglich ein Sitz ist natürlich auch möglich. Dank der Airline-Schienen kann der auch in der Mitte der Ladefläche montiert sein. Über die Schienen bestimmt ihr zudem, wie weit vorn oder hinten, bezogen auf die Länge der Ladefläche, die Kinder sitzen. Stauraum ließe sich davor als auch dahinter belassen.

Mit Bosch Smart System in die Vollen

Antriebsseitig bieten sich weitaus weniger Wahlmöglichkeiten. Allerdings meckern wir hier auf hohem Niveau. Denn was zu haben ist, genügt höchsten Ansprüchen. Erstmals kommt uns ein Lastenfahrrad unter, das mit dem Smart System von Bosch ausgestattet ist. Das bedeutet jetzt mit dem Performance Line CX einen höchst leistungsfähigen Motor in Kombination mit dem größten bei Bosch verfügbaren Akku und einem navigationstauglichen Display. Für die Zukunft ist es vor allem das Versprechen auf eine Vielzahl smarter Funktionen, die Bosch in der eBike Flow App künftig bereitstellen möchte.

Beim Akku hat Cluuv sogar den Platz für einen zweiten Akku im Auge behalten und den Weg frei gemacht für eine Kapazität von mächtigen 1.500 Wattstunden. Unter der Ladefläche sind zwei Metallgehäuse angebracht, in denen die auf Schlitten gelagerten Akkus stecken. Ist das Fahrrad über den Fahrradständer aufgestellt, könnte ihr beide Akkus bequem vom Vorderrad aus entnehmen und laden – selbst wenn das E-Cargo gerade voll beladen sein sollte. Alternativ geht das über die Ladebuchse am Motorgehäuse.

Echte Premium-Ware

Vergleichbar luxuriös präsentieren sich die weiteren Antriebskomponenten. In der Hinterradnabe ist die Cargobike-kompatible Version der stufenlosen Enviolo-Schaltung verbaut. Euch bleibt sogar die Wahl zwischen der manuellen und der automatischen Ausführung. Dazu gesellen sich der Riemenantrieb von Gates sowie die hochwertigen CMe-Bremsen mit vier Bremskolben von Magura. Da bleibt kaum ein Wunsch offen.

Ok, vielleicht der nach genügend Kleingeld, um das am Ende auch bezahlen zu können. Preistechnisch steigt Cluuv gleich voll ein und wetteifert mit dem Ca Go FS 200 oder dem Load 75 von Riese & Müller. In dieser Liga sieht sich der Hersteller von seinem Selbstverständnis her vermutlich auch. Bike und Komponenten brauchen den Vergleich zumindest nicht zu scheuen. Entsprechend liegt der Startpreis für das E-Cargo mit „Flatbed“ bei 7.619 Euro. Die genauen Preise für das Zubehör verkündet Cluuv erst in den kommenden Wochen.

Lieferbar soll diese Variante ab April 2022 sein. Für den Juni ist der Launch weiteren Versionen geplant.

Cluuv E-Cargo 2022 im Überblick

  • Rahmen: Aluminium
  • Motor: Bosch Performance Line CX
  • Akku: Bosch PowerTube 750
  • Display: Bosch Kiox 300
  • Antrieb: Enviolo Cargo
  • Federgabel: SR Suntour Mobie
  • Bremsen: Magura CMe
  • Reifen: Schwalbe Pick-Up
  • Länge: 269 cm
  • Gewicht: 45 kg
  • Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 240 kg
  • Preis: ab 7.619 Euro

 

Bilder: Cluuv GmbH

Ein Gedanke zu „Lastenrad Cluuv E-Cargo: Erst ein Bild gemacht, dann ein Bike“

  1. Ich verstehe nicht weshalb solche Lastenfahrräder zwischen 8000 und 11000€ kosten, während man vollwertige Motorräder die mit viel mehr Technik ausgestattet sind ab 5000€ bekommt. Ist das der „Lifestyle Hipster Aufschlag“ ? Müssen die erst die Aura des Elitären verlieren um geerdete Preise zu erreichen?
    Würde mich wirklich mal interessieren warum noch kein Motorradhersteller sowas für 3-4k€ produziert…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert