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Urtopia wirft mit Titanium Zero spannendes Schlaglicht in die Zukunft des E-Bikes

E-Bike Urtopia Titanium Zero

Ursprünglich als Messe für Unterhaltungselektronik ins Leben gerufen, hat sich die CES inzwischen längst für elektronische Anwendungen im weiteren Sinne geöffnet. Dazu gehören unter anderem E-Bikes. Und so machen vor allem US-amerikanische und asiatische Hersteller zu dem Termin im Januar in Las Vegas mit Neuheiten auf sich aufmerksam. Am Stand des aus Hong Kong stammenden Herstellers Urtopia gibt es einen der absoluten Hingucker der Messe zu bestaunen. Dort steht mit dem Urtopia Titanium Zero ein E-Bike mit einem erstaunlich leichten Mittelmotor, der seinen Strom aus einem Solid-State-Akku bezieht und das nur rund zehn Kilogramm wiegt.

E-Bike Urtopia Titanium Zero
Urtopia Titanium Zero

1. Ergebnis teurer Entwicklungsarbeit

Manche von euch fragen sich bestimmt hin und wieder, in welche Richtung sich E-Bikes in den kommenden Jahren entwickeln könnten. Urtopia gibt mit dem Titanium Zero darauf eine sehr spannende Antwort. Und um es jedoch gleich vorwegzunehmen: Dieses E-Bikes wird es in der Form nicht zu kaufen geben. Es handelt sich um ein Konzept, eine Studie. Deren Wert beziffert Urtopia-CEO Bo Zhang nach Angaben des Onlinemagazins Golem auf ungefähr 50.000 US-Dollar. Angeblich sind rund eine halbe Million US-Dollar in die Entwicklung des Prototyps geflossen. Trotz dieser immensen Summen erscheint das Titanium Zero nicht unbedingt wie eine utopische Vision, die schon bald wieder in Vergessenheit geraten wird. Gerade im Motor und im Akku dürfte Knowhow stecken, das in naher Zukunft in ähnlicher Form auch in der Serienfertigung solcher Komponenten Einzug halten könnte.

2. Motor des Urtopia Titanium Zero: Klein, rund und kräftig

Den selbst entwickelten Mittelmotor bezeichnet Urtopia als Quark DM 1.2. Mit seinem geringen Gewicht von lediglich 1,2 Kilogramm und der zylindrischen Form erinnert er stark an den Mavic X-Tend. Allerdings ist es um dieses Projekt seit 2023 auch recht still geworden. Vom Drehmoment her verspricht der Quark DM 1.2 etwas mehr, als damals Mavic angekündigt hatte. Die von Urtopia genannten 60 Newtonmeter liegen in dem Bereich, was ein TQ HPR50 und ein Fazua Ride 60 leisten. Diesbezüglich fände sich Urtopia folglich in guter Gesellschaft. Erst recht, da die beiden anderen Motoren bereits bewiesen haben, in welch unterschiedlichen E-Bikes eine solche Größenordnung komplett ausreicht.

Motor Quark DM 1.2 des E-Bikes Urtopia Titanium Zero
Motor Quark DM 1.2

Zum Motor gehören ein Drehmomentsensor sowie ein magnetischer Encoder. Beide hat Urtopia nach eigener Aussage selbst entwickelt. Sie sollen dafür sorgen, dass die Leistungsentwicklung und das Ansprechverhalten nahtlos auf das reagieren, was ihr über die Pedale und die gewählte Unterstützungsstufe selbst in das System investiert. Einzelheiten zur Sensorik sind allerdings weder der Presseinformation des Herstellers noch den aktuell kursierenden Bildern vom Titanium Zero zu entnehmen. Daher lässt sich nicht sagen, ob die Sensorik zum Beispiel dem Speedsensor mit 42 Messpunkten des DJI Avinox am Amflow PL nahekommt oder sogar noch besser ist.

3. Feststoffbatterie anscheinend denkbar am E-Bike

Neue Weg beschreitet Urtopia auf alle Fälle beim Akku. Reden wir hier über die erste Feststoffbatterie an einem E-Bike? Hm, nicht sicher. Zumindest ist es aber die erste, die uns bewusst in diesem Zusammenhang begegnet. Gegenüber herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien haben Festkörperakkus zahlreiche Vorteile:

  • längere Lebensdauer aufgrund wesentlich größerer Anzahl an Ladezyklen
  • geringeres Risiko eines Thermal Runaway
  • keine Brandgefahr beim Einwirken mechanischer Kräfte
  • bessere Umweltbilanz durch Verzicht auf Schwermetalle wie Kobalt
  • kürzere Ladezeiten
  • höhere Energiedichte
  • geringerer Verlust an Kapazität bei niedrigen Temperaturen durch Einsatz fester Elektrolyte

Eine konkrete Kapazität für den fest im Unterrohr integrierten Akku nennt Urtopia nicht. Wir erfahren lediglich, dass die Energiedichte bei maximal 300 Wattstunden pro Kilogramm liegen soll. Zum Vergleich: Der in dieser Hinsicht leistungsfähigste Akku von Bosch, der aktuelle PowerTube 800 für das Smart System, bringt es auf 205 Wattstunden pro Kilogramm. Schon an diesem Verhältnis lässt sich erahnen, welches große Plus Feststoffbatterien für die Reichweite von E-Bikes bedeuten können.

4. Leichtbau mit Titan und Carbon

Die übrigen Angaben zum Fahrrad klingen kaum weniger beeindruckend. Der im 3D-Druck hergestellte Rahmen des als E-Rennrad gestalteten E-Bikes besteht aus einer Titanlegierung. An seiner Geometrie lässt sich wenig aussetzen. Manche empfinden sich vielleicht als zu konservativ. Anderen gefallen wiederum die eher klassischen Linien besonders gut. Das bleibt, wie immer, Geschmackssache. Nochmals kommt die Titanlegierung bei der Sattelstütze zum Einsatz. Laufräder, Gabel und der Satz an Hohlkurbeln nutzen dagegen Carbon. Als Antriebssystem hat Urtopia das Titanium Zero beispielhaft mit einer elektronischen 12-Gang-Kettenschaltung von Sram ausgestattet. Unter dem Strich ergibt das die bereits erwähnten zehn Kilogramm als Gesamtgewicht. Wer dies mit den Anfängen von E-Bikes vergleicht, kann mitunter kaum glauben, was sich in den vergangenen fünfzehn Jahren getan hat.

Rahmen des E-Bikes Urtopia Titanium Zero
Im 3D-Druck gefertigter Rahmen

5. Bedienkonzept ohne KI-Assistent

In seiner Pressemitteilung hebt Urtopia sein KI-basiertes Bedienkonzept mit dem Fahrassistenten noch einmal hervor. Für uns deutet jedoch alles darauf hin, dass sich dieser nicht am Titanium Zero wiederfindet. Schließlich kommt er an anderen Modellen des Herstellers als relativ großer Smartbar daher. Diese Kombination aus Display, Frontscheinwerfer, Lautsprecher und Fingerabdruckscanner können wir an dem Konzept-Bike nicht entdecken. Schon aus optischer Sicht begrüßen wir diese Entscheidung. Es hätte schlichtweg nicht zum sachlichen Auftritt des Titanium Zero gepasst, der sich trotz aller technischen Finesse funktionell auf das beschränkt, was es zum E-Bike-Fahren wirklich braucht: Motor, Akku, Schaltung, vernünftiger Rahmen, funktionierende übrige Komponenten.

E-Bike Urtopia Titanium Zero am Stand von Urtopia auf der CES 2025
Ob Besuchende das Titanium Zero auf der CES 2025 auch testen können, wissen wir leider nicht.

In Tests des Urtopia Carbon 1 Pro oder Urtopia Fusion konnte der Smartbar nicht immer überzeugen. Theoretisch gibt euch zum Beispiel eine mit ChatGPT verknüpfte Sprachsteuerung Antwort auf beliebige Fragen oder schaltet auf euren Wunsch das Licht an und aus. Praktisch genügt wohl oftmals der Fahrtwind, um das System an seine Grenzen zu bringen. Selbst ein Anbrüllen des Smartbars während der Fahrt blieb in mehreren Fällen erfolglos.

Funktioniert die Sprachübertragung, fehlt es der KI mitunter an der vielgerühmten Intelligenz. So fragt zum Beispiel in einem eigens von Urtopia mitgesandten Video ein E-Bike-Fahrender, wo er in der Nähe seinen Durst stillen könne. Als erste Antwort weist ihn das System auf einen Coffee-Shop hin. Das ist der Person im Video jedoch zu banal. Daraufhin schlägt ihm der Assistent eine nahegelegene Whiskey-Bar vor. Das Alkohol-Konsum und Fahrradfahren zusammen eher keine gute Idee sind, merkt es mit keiner Silbe an. Wenn wir mal von der inhaltlichen Qualität absehen, besticht selbst die optische Aufbereitung der Navigation zu einem gewünschten Ziel nicht mit zeitgemäßem Design. Richtig übersichtlich erscheint die Route nämlich nur auf eurem Smartphone. Das könnt ihr laut Urtopia aber gern in euren Sachen oder einem Rucksack verstauen. Wer das tut, erhält auf dem Display dann allerding nur Entfernungsangaben und Richtungsfeile zu sehen. Und dies in einer gewöhnungsbedürftigen Dot-Matrix, die den Charme billiger Computerspiele aus den 1990er Jahren versprüht. Insofern dient das Urtopia Titanium Zero nicht nur als durchaus beachtenswerter Wink für die Zukunft, sondern als Beispiel, woran auf dem Weg dahin noch gearbeitet werden kann.

Bilder: New Urtopia Holdings HK Limited

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