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Specialized Turbo Kenevo SL: Enduro-Spaß für Fortgeschrittene

E-Bike Specialized Turbo Kenevo SL

An sich gilt es als unangebracht, mit der Tür ins Haus zu fallen. Im Falle des Turbo Kenevo SL von Specialized spricht einiges für diese Strategie. Dieses elektrifizierte Enduro-Geschoss beeindruckt in vielerlei Hinsicht – auch mit dem Preis. Für die Expert-Version werden 13.000 Euro fällig. Alles, was wir auf den nächsten Zeilen über dieses Bike schreiben, muss sich an dieser Marke messen lassen. Warum? Weil sich 14.000 Euro auch anders investieren ließen. Zum Beispiel errichtet eine Hilfsorganisation für eine obdachlose Familie damit ein abschließbares Zuhause.

Specialized haut sich jedenfalls voll rein und versucht, den Wert des Kenevo SL ausführlich zu verdeutlichen. Sehr ausführlich. Das von der Firma mitgelieferte Pressematerial ist ein PDF-Dokument mit mehr als 1.500 Wörtern. Die Seiten sind gespickt mit Begriffen wie „ultra-responsives Handling“, „Stoßkraftmanagement“ und „Over-the-Air-Updates“. Nach einem ersten Blick in die Unterlagen bleibt hängen: Dieses E-Mountainbike bietet unzählige Optionen, das Fahrerlebnis ganz auf die eigenen Vorlieben hin einzustellen. Während der Fahrt lässt sich zudem eine Flut von Daten abrufen. Das wirkt höchst professionell. Gleichzeitig birgt es die Gefahr, weniger fachkundige Menschen ein wenig ratlos zurückzulassen. Und da schließe ich mich durchaus ein. Irgendwann bedeutete biken noch, sich einfach aufs Rad zu setzen und loszufahren.

Leicht, leichter, SL

Aber genug der Vorrede. Seit ein paar Jahren bedient Specialized mit dem Turbo Kenevo die Enduro-Gemeinde unter den E-Bikerinnen und E-Bikern. Anscheinend so erfolgreich, dass nun eine gewichtsreduzierte Variante des Bikes erscheint. Hinter der Abkürzung „SL“ für „super light“ verbergen sich bei dem Hersteller generell die Modelle mit geringerem Gesamtgewicht. Laut der US-Amerikaner liegen zwischen dem Kenevo SL und dem Kenevo rund fünf Kilogramm. Allerdings geht aus ihren Unterlagen nicht genau hervor, ob sich der Unterschied auf das Turbo Kenevo SL Expert oder das Turbo Kenevo SL Comp bezieht. Unter dem Strich sprechen hier über ungefähr 18, 19 Kilogramm. Zum Vergleich: Das Kenevo Comp wiegt etwas mehr als 23 Kilogramm.

Die Schlankheitskur geht in erster Linie auf den verbauten elektrischen Antrieb zurück. Motor und Akku fallen bedeutend leichter aus als die am Kenevo genutzten Komponenten. In der Konsequenz verfügen der Specialized SL 1.1 und die Specialized SL1-Batterie über entsprechend weniger Leistung. Die 90 Newtonmeter an Drehmoment gegenüber den 35 Newtonmetern als auch die 700 Wattstunden gegenüber den 320 Wattstunden sprechen eine deutliche Sprache. Handelt es sich angesichts des kleineren Motors und des Akkus mit geringerer Kapazität sogar um das schlechtere Mountainbike? Mitnichten. In der Praxis macht sich nämlich der Gewichtsgewinn beim Kenevo SL bezahlt. Entsprechend bescheidener können die beiden angesprochenen Komponenten ausfallen.

Weitere Gramm an Ersparnis gehen auf das Konto des Rahmens. Der Neuling kommt mit einem Monocoque-Rahmen aus Carbon daher. Gegenüber dem Aluminium-Rahmen des Kenevo bringt dieser außerdem ein Plus an Steifigkeit und damit eine effizientere Kraftübertragung mit. Wer dennoch nach etwas mehr Reichweite verlangt, kann sich für einen Range Extender entscheiden. Der liefert zusätzliche 160 Wattstunden, kostet aber auch einige der teuer bezahlten Gramm.

Jede Menge Spielraum zum Justieren der Fahrposition

In Sachen Geometrie folgt das Turbo Kenevo SL den aktuellen Trends der E-Bikes, die sich für den Ritt durch wirklich grobes Gelände eignen. Dank eines steilen Sitzwinkels gelangt ihr bergauf in eine Position, von der aus ihr euren Schwerpunkt weit nach vorn verlagern könnt. Gute Voraussetzungen also, um die Front selbst in richtig steilen Rampen schön auf dem Boden zu halten. Bei der Wahl des Sitzwinkels könnt ihr in einem Bereich von 75,8 Grad bis 76,7 Grad testen. Der genaue Wert hängt von dem restlichen Setup ab. Großen Einfluss hat die Tatsache, für welche Tretlagerhöhe ihr euch entscheidet. Per Flip-Chip könnt ihr sechs Millimeter nach oben oder unten gehen. Mehr Abstand zum Untergrund resultiert in einem steileren Sitzwinkel, mehr Nähe entsprechend zum Gegenteil.

Wie flach der Steuerrohrwinkel ausfällt, habt ihr ebenfalls selbst in der Hand. Möglich sind 62,5, 63,5 oder 64,5 Grad. Im Vorteil sind hier diejenigen, die bei der Auswahl bereits auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Denn zur Einstellung müsst ihr die Federgabel ausbauen, um spezielle Steuerrohrschalen je nach Wunsch zu drehen. Das macht ihr nicht einfach mal in zwei Minuten. Und vor allem nicht unterwegs auf dem Trail.

Zusammen mit einem geringen Gabeloffset verleiht euch der flache Lenkwinkel Ruhe und Stabilität auf der Piste. In die gleiche Richtung zielen die 29 Zoll großen Laufräder sowie der relativ lange Radstand. Letzteres stärkt vor allem bei höheren Geschwindigkeiten das nötige Zutrauen in euer Gefährt.

Hinterrad mit dem Recht auf Eigenleben

Soweit sich das aus der Ferne beurteilen lässt, hat Specialized großen Aufwand bei der Entwicklung des Fahrwerks betrieben. Der Hinterbau ist grundlegend anders konstruiert als der des Kenevo. Herzstück beim Kenevo SL ist die vom Hersteller als FSR-Design bezeichnete Kinematik. Dabei wird ein in der Kettenstrebe montierter Horst-Link mit einem Viergelenker kombiniert. Separate Links steuern die Einfederung des Dämpfers. Das Ergebnis ist eine aktive Federung, bei der die Hebelwirkung und der Achsweg voneinander entkoppelt werden. Unterwegs macht sich dies wie folgt bemerkbar: Trefft ihr mit dem Hinterrad auf ein Hindernis, schwingt es moderat nach hinten durch. So bleibt ihr gefühlt weniger an Hindernissen hängen, weil die Raderhebungskurve anfangs nach hinten verläuft. Einen Teil der Aufprallenergie nimmt die Federung auf, statt dass sie direkt an euch weitergeleitet wird. Zudem solltet ihr deutlich weniger unter Bremsstempeln leiden.

Am Ende stellt sich ein sehr direktes Fahrverhalten ein. Von dem, was ihr an Fahrtechnik und Pedalkraft in den Vorwärtsdrang steckt, kommt vermutlich der Großteil als Gesamtbewegung bei euch in der Verbindung von Mensch und Maschine an. Fast überflüssig zu erwähnen, Specialized mit dieser Konstruktion versucht, den Schwerpunkt des Bikes möglichst tief und möglichst zentral auszurichten.

Stimmige Basics

Die weitere Ausstattung des Turbo Kenevo SL überzeugt durchgängig. Federgabel und Dämpfer mit jeweils 170 Millimetern an Federweg von Fox, 1fach-Antrieb mit einer 12-Kassette aus der SRAM XX1 Eagle-Gruppe sowie hydraulischen Scheibenbremsen mit vier Bremszylindern und massiven Scheibendurchmessern von 220 und 200 Millimetern – das kann man so machen ?

Beim Expert-Modell geht in es in einigen Details auf der Preisleiter ein paar Stufen hinunter, sodass noch rund 9.500 Euro übrigbleiben. Falls ihr von dem gesamten Drumherum komplett andere Vorstellungen habt, könnt ihr die in diesem Falle ausleben. Das Rahmenkit gibt es nämlich auch einzeln für 7.000 Euro.

 

Bilder: Specialized Germany GmbH

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